Zur Selbständigkeit erziehen
Im Lauf der Jahre haben wir beim FNH die Erfahrung gemacht, dass es nicht ausreicht, armen Kindern ein Zuhause, Schulbildung und ärztliche Versorgung zu geben. Es ist ebenso nötig, sie beim Erwachsenwerden noch eine Weile zu begleiten. Nur so haben sie die Voraussetzungen, einen Beruf zu erlernen, um danach eigenverantwortlich und eigenständig zu leben und zu arbeiten.
Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass wir in 2005 ein weiteres Projekt ins Leben gerufen haben: ein Hostel für ca. 30 Jugendliche in Bungamati bei Patan im Kathmandu-Tal. Großzügige Spenden ermöglichten uns im Januar 2006 den Kauf des Grundstücks für das Jugend-Hostel-Projekt. Noch im gleichen Jahr konnten die ersten Jugendlichen in das neue Zuhause einziehen.
Hier wohnen unsere Jugendlichen nach Abschluss der 8. Klasse bis zum Abschluss der 10. Klasse, dem SEE (Secondary Education Examination). Hier bereiten wir sie und sie sich auf das Leben draußen sowie auf ihre Zukunft vor. Durch regelmäßige Berufsberatung – durchgeführt von CDN (Career Disha Nepal) – durch Aneignung von handwerklichen Grundkenntnissen und Besuche in Betrieben pflastern wir ihnen den Weg in die Eigenständigkeit. Zunächst verlassen sie den geschützten Raum des Kinderdorfes und ziehen mit neuen Herausforderungen in die Großstadt. Für ihre Berufsausbildung und ihre schulische Weiterbildung haben die Jugendlichen in Kathmandu mehr Möglichkeiten. Die Chancen in der Nähe des Kinderdorfes sind dafür eher begrenzt.
Die Schritte nach Abschluss der Klasse 10
Nach dem Abschluss der 10. Klasse („SEE“ vergleichbar mit Mittlere Reife) steht ein weiterer großer Schritt an. Die Jugendlichen verlassen das Hostel und erhalten monatlich vom FNH/FWHC für weitere drei Jahre einen festen Geldbetrag aus dem Ausbildungsfonds mit 70 Euro pro Monat. Von diesem Geld mieten sie sich selbst meist zu zweit oder zu dritt kleine Wohnungen in verschiedenen Städten Nepals. Damit finanzieren sie neben dem Lebensunterhalt ihre Berufsausbildung und/oder die Klassen 11 und 12, d.h. ihr Fachabitur (SLC = School Leaving Certificat).
Neben der monatlichen Unterstützung erhalten alle Abgänger einmalig bis zu 60.000 NR – ca. 450 Euro für eine Berufsausbildung oder Geschäftsidee.
Zusätzlich sieht unsere seit 2019 gültige „Career Roadmap“ vor, dass wir mit jeweils 700.000 NR über drei Jahre verteilt die drei besten Schülerinnen/Schüler der jeweiligen Schulabgänger aus der 10. Klasse finanziell fördern. Eine Berufsausbildung kostet in einigen Fachgebieten in Nepal teilweise richtig viel Geld und kann ohne diese Förderung nicht umgesetzt werden.
Wer besonders im SLC nach dem Fachabitur gute Leistungen – Notendurchschnitt für GPA 3,5 = Note 1 – erlangt, kann sogar durch eine Studienförderung für den Bachelor Level von 4 Jahren mit maximal 1.200.000 NR ca. 10.000 Euro gefördert werden. Diese Förderung gilt ebenfalls für die 3 besten eines Abschlusses.
Weiterhin erhalten sie nach dem SEE einen einmaligen Betrag von 120 Euro pro Person, um in ihrem Heimatort ein völlig selbständig durchgeführtes Kleinprojekt zu realisieren. Dafür reichen sie vorher bei unserem Hostel-Betreuer einen „Projektantrag“ ein. Einige verbessern die Wasserversorgung, andere schaffen durch Tierhaltung eine Einkommensquelle oder installieren eine 100 Watt Solarplatte mit Batterie für eine Beleuchtung. Um die Nachhaltigkeit der Projekte zu fördern, erhalten die Jugendlichen für Folgeberichte in den nächsten zwei Jahren zusätzlich je 60 Euro.
Mit diesen Schritten hinaus aus dem geschützten Bereich und der Fürsorge lernen sie verstärkt, ihr Leben selbständig zu führen. Gerade am Anfang brauchen junge Menschen, die zum ersten Mal auf eigenen Beinen stehen, angemessene Begleitung. Beraten und betreut werden sie weiterhin von unseren Mitarbeitern im Hostel und Kinderdorf.
Ein multifunktionales Gebäude
Das Hostel wird als Mehrzweckgebäude genutzt. 2022 mussten wir aufgrund der Straßenerweiterung einen bebauten Teil des Grundstückes abgeben. Dadurch verloren die Jugendlichen die Spielfläche auf dem Innenhof. Unser Hostel hat sein Aussehen nach dem Umbau komplett verändert. Es ist jetzt 4 Stockwerke hoch. Um Mieteinnahmen zu generieren, streben wir eine Vermietung von 2 Etagen an. Das Hostel hat mehrere Zimmer, eine kleine Bücherei, vier Rechner mit Internet, TV, eine gemeinsame Küche mit Speisesaal, sanitäre Einrichtungen mit Warmwasser durch eine Solaranlage auf dem Dach, Waschplätze für Wäsche und ein kleiner Innenhof stehen unseren Jugendlichen zur Verfügung. Drei Räume haben eine besondere Funktion. Jugendliche erlernen hier handwerkliche Grundkenntnisse. Besonders in den Bereichen Metall- und Holzverarbeitung sowie Elektrifizierung und Schweißen vermitteln wir unseren Jugendlichen Kenntnisse, um sie neben der Berufsberatung auch mit praktischen Fähigkeiten auszustatten.